Südhessische Post

Jetzt endlich können die ollen Schwimmflügel weg

-"Jetzt können endlich.." "wer als erster da ist, hat gewonnen. Ich gebe das Kommando!" Wasser spritzt auf und ein Achtjähriger lacht. Benjamin D. hat innerhalb einer Woche schwimmen gelernt. Was für die meisten  anderen Achtjährigen eigentlich kein großes Problem ist, musste er sich mutig erkämpfen: Benjamin ist von Geburt an blind. Schwimmen lernen hieß für ihn: fühlen , hören und Vertrauen in die Umgebung haben. Was für ihn sonst ganz normaler Alltag ist, war im Element Wasser dann doch etwas ganz anderes: "Am Anfang habe ich schon ein bisschen Angst gehabt ", sagt er, "Das Vertrauen in das eigene Können ist das  Wichtigste", sagt Diplom-Sportlehrer Hans -F. Geil, der mit der Hotelpension Odenwald in Gras-Ellenbach schon seit 1984 ein " Schwimmschul-Hotel " betreibt. Er hat Benjamin eine Woche lang begleitet und freut sich nun über den Erfolg. Es sei eine Herausforderung gewesen, trotzdem: "ich habe gewusst, dass das möglich ist, denn schwimmen lernt man nicht aus dem Kopf, sondern aus dem Bauch." Dreimal 45 Minuten täglich hat er mit seinem jungen Schüler trainiert. Die Eltern hatten in dieser Zeit " Schwimmverbot ". Das hat einen Grund: "Wenn die Eltern nicht dabei sind, entwickelt sich zwischen dem Lehrer und dem Schüler ein ganz anderes Verhältnis", weiß Geil, der schon seit 1979 Schwimmunterricht gibt. Auch für ihn war es eine neue Situation: "Man muss vom Visuellen weggehen, das musste ich mir bewusst machen. Man hat nicht  die Möglichkeit ihm etwas zu zeigen, sondern muss all seine Bewegungen führen, bis er sie gefühlsmäßig übernimmt". Das Vertrauen zwischen den beiden war schnell aufgebaut, bereits noch kurzer Zeit tobte Benjamin mit dem Sportlehrer durch das Wasser und sprang vom Beckenrand in seine Arme. Nach vier Tagen schwamm Benjamin bereits eine ganze Bahn alleine. Und am letzten Tag seines Aufenthaltes durfte er sich das Schwimmabzeichen "Seepferdchen" an die Badehose heften. Seine Eltern sind mit ihm eigens für diese Woche in den Odenwald gekommen. "Für uns war wichtig, dass Benjamin Erfolgserlebnisse  hat" sagt seine Mutter. "Er wollte schon länger schwimmen lernen. Das hat er jetzt geschafft" freut sich sein Vater. Inzwischen  fängt Benjamin an, den beiden davonzuschwimmen. Da sind die Eltern, mit denen Hans -F. Geil sich im Vorfeld und während der Woche viel unterhalten hat, besonders gefragt: "Er neigt in der Hochstimmung jetzt natürlich dazu, sich zu überschätzen. Da muss  man aufpassen." Doch da sehen die Eltern kein Problem: "Jetzt ist eine Basis aufgebaut, alles weitere ist Übung  und Erfahrung. Hans - F. Geil hat schon einige tausend Nichtschwimmer nach einem "Sieben-Tage-Crash-Kurs" als Schwimmer entlassen können. Einen besonderen Effekt erzielt er dabei mit seinem Hotel: "Die Menschen mit Schwimmproblemen tun sich leichter, wenn sie außerhalb ihres normalen Umfeldes Schwimmen lernen können. Da schaut kein Bekannter zu und gibt gute Ratschläge, die Angst sich zu blamieren ist reduziert und man ist unter Gleichgesinnten" Die Zahl derer, die als Erwachsene nicht schwimmen können, ist groß. Doch nur wenige mögen das zugeben: "Das ist den meisten  peinlich, erwachsene Nichtschwimmer empfinden es häufig als unangenehme Bildungslücke ", ist die Erfahrung des Sportlehrers. Und dazu fällt ihm gleich eine kuriose Geschichte ein: "Ich hatte mal ein Ehepaar, die feierten bei uns silberne Hochzeit. Dabei erzählten Sie , dass beide jahrelang zusammen lebten ohne, dass der eine vom anderen wusste, dass dieser nicht schwimmen konnte. Jeder war für sich froh, dass der andere nie danach gefragt hatte." Gelernt wird bei Hans - F. Geil nach einer dynamischen Methode: "Die Vorgehensweise ist individuell und muss abgestimmt werden auf die Probleme der Schwimmschüler." Maximal sechs Personen sind in einer Gruppe, natürlich gibt es auch Einzelunterricht. Im Anschluss an die Lektionen können sich die Schüler noch einmal in  Aktion begutachten - während des Unterrichts gemachte Videoaufnahmen helfen am nächsten Tag Fehler zu korrigieren. Und weil gerade das Element Wasser viele Möglichkeiten bietet, werden auch  Rückenschul-Kurse angeboten, in denen die Teilnehmer - ebenfalls in sieben Tagen - lernen können, ihren Rücken mit Hilfe des feuchten Elements zu trainieren. "Die Teilnehmer bekommen vermittelt ihre Muskeln sinnvoll aufzubauen zu dehnen und zu entspannen. Auch werden ihnen dabei physiologische und biomechanische Funktionsweisen erklärt." Bereits vorhandene Erkrankungen können therapiert werden. Wer im Meer sicher schwimmen lernen will, ist bei Hans - F. Geil und den angebotenen Meerschwimmkursen ebenfalls bestens aufgehoben - er bietet in Verbindung mit einem Badeurlaub auch Kurse am Meer an, denn: "Das Schwimmen im offenen Gewässer stellt hohe Anforderungen sowohl mental als auch physisch ." Er bucht für seine Schüler Aufenthalte, zum Beispiel in der Karibik und ist dann selbst vor Ort. Es werden systematisch Techniken  geübt, die die Schüler zum sicheren Schwimmen im Meer führen. Individuell wird  die Wassertiefe und Schwimmstrecke gesteigert. Das Programm wird den Fertigkeiten des Einzelnen angepasst. Benjamin wird sein Können sicher steigern, das steht für ihn fest. Aber das Allerbeste nach einer Woche: "Jetzt können endlich die ollen Schwimmflügel weg."
Letzte Änderung: 24.09.2009